September 27, 2019 1:52 am

Jan Kuonen

Wer wünschte sich nicht kreativ denken zu können, um somit einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber solchen Menschen zu bekommen, die es nicht gelernt haben, sich mächtiger Denkwerkzeuge zu bedienen?

Doch, was genau ist „ kreatives Denken“?

Schaut man sich z.B. weite Teile klassischer Schulbetriebe an, fällt auf, dass Kinder schon von klein auf tendenziell mehr zu der Art des „logischen Denkens“ erzogen werden. Damit ist gemeint, dass folgerichtiges, kausal motiviertes Denken häufig zum Erfolg führt; so nach dem Motto“: „Wenn X gemacht wird, dann geschieht Y usw.“

Es ist sicher unbestreitbar, dass eine solche Art „logischen Denkens“ viele und unschätzbare Vorteile mit sich bringt. Immer dann, wenn wir es mit Systemen zu tun haben, die streng logischen Gedankenketten von Ursache und Wirkung unterliegen, führt logisch konsequentes Denken nahezu zwangsläufig zum gewünschten Ziel.

Nun ist unsere Welt aber – wie jeder immer wieder beobachten kann – nicht durchgängig so organisiert, dass sich für jede nur erdenkliche Situation eine streng logisch motivierte Gedankenkette finden lässt, die uns zielsicher ans gewünschte Ziel bringen kann. Das genau sind dann Momente, in denen „kreatives Denken“ gefragt ist.

Was genau ist nun mit „kreativem Denken“ gemeint? Nun, damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es unzählige Situationen im Leben gibt, die sich nicht (noch nicht?!) in streng logisch stringente Kausalketten pressen lassen. Von daher tut Abhilfe Not. Kreative Denker nutzen vor allem auch Ideen, von denen viele Zeitgenossen oftmals vorschnell sagen, sie seien „abwegig“ oder gar „unmöglich“.

Doch genau darin ist die Stärke kreativen Denkens zu suchen. Wörtlich betrachtet könnte man sagen: Ja, es mag sich zuweilen – und zwar bewusst – um „abwegige“ Ideen handeln, die sich absichtlich vom gedanklichen Mainstream abzukoppeln
versuchen, dessen einzige Maxime offenbar nur darin zu bestehen scheint, „logisch in sich schlüssige Ideen“ zu entwickeln, die jeder kritischen Prüfung standhalten.

So sehr es zu den unbestreitbaren Vorteilen logischen Denkens gehört, Gedankenketten zu entwickeln, die auch kritischen Überprüfungen standhalten, so sehr zeigt sich im Gegenzug, dass solche Bedingungen auch sehr fesselnd bzw. gedanklich lähmend wirken können.

Kreative Denker verlassen bewusst „ausgetretene Pfade“, um somit neue und zuweilen auch sehr ungewöhnliche Ideen entwickeln zu können. Sie lassen sich auch nicht dadurch irritieren, dass sie mitunter als „Spinner“ oder „Träumer“ diskriminiert werden. Entscheidend sind schlussendlich immer die konkreten Resultate, die darüber richten, ob bzw. inwieweit eine Idee als nützlich eingestuft werden kann.

Wie du verschiedene Denkformen nutzt

Das Auffinden und bewusste Generieren spezieller und aussergewöhnlicher Ideen und Lösungen zeichnet das „kreative Denken“ massgeblich aus.

Welche Denkformen können unterschieden werden?

    1. Logisches Denken (auch als „konvergentes Denken“ bezeichnet)
    2. Divergentes Denken
    3. Laterales Denken

Zunächst einmal sei an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht, dass es hier nicht darum geht, Denkformen gegeneinander auszuspielen. Vielmehr soll klar werden, dass jede der hier vorgestellten Denkformen – je nach zu lösender Situation – individuelle Stärken und Schwächen hat, die es gezielt einzusetzen bzw. zu vermeiden gilt.

Wie so oft im Leben so geht es auch in diesem Zusammenhang also keineswegs um Ausgrenzung oder um einen Wettbewerb, sondern einzig darum, sich zunächst einen Überblick zu verschaffen, um dann von Fall zu Fall klug entscheiden zu können, welche Art des Denkens vermutlich den optimalen Erfolg erzielen wird.

Nachfolgend werden die oben genannten Denkformen kurz vorgestellt, so dass du dir einen ersten Eindruck verschaffen kannst.

Logisches Denken (auch als „konvergentes Denken“ bezeichnet)

Viele Menschen assoziieren den Begriff „Denken“ oftmals automatisch mit der speziellen Form des „logischen Denkens“. Woran mag das liegen? Nun, vermutlich liegt es wohl daran, dass dem „logischen Denken“ in unserer Kultur eine ganz besondere Rolle zugeschrieben wird. Schon während der Schulzeit lässt sich beobachten, dass dem „logischen Denken“ ein besonderes Gewicht beigemessen wird. Das führt dann in der Folge nicht selten dazu, dass viele Menschen offenbar verlernt haben, wie sich „kreatives Denken“ anfühlen mag. Eine mitunter allzu starre Bindung an das „logische Denken“ versperrt oftmals den Blick dafür, dass kreative Lösungen im Ergebnis erheblich besser und intelligenter sein könnten.

Warum wird das „logische Denken“ auch als „konvergentes Denken“ bezeichnet?

Zur Begriffsklärung: der Begriff „Konvergenz“ taucht vor allem im Bereich der Mathematik auf. Damit ist gemeint, dass eine Entwicklung einem klar definierten Ziel (Wert) entgegen strebt. Mathematiker sprechen von einer Konvergenz, wenn sich z. B. ein Zahlenwert aufgrund einer Formel auf einen klar definierten Endzustand (Wert) zu bewegt.

Ein Beispiel: Angenommen, wir betrachten folgende Formel: 1 / n (wobei der Wert für n, bei 1 beginnend, jeweils in Einerschritten erhöht wird. Welchem Wert strebt nun das jeweilige Ergebnis entgegen, vorausgesetzt, wir setzen diesen Prozess konsequent fort?

Beginnend bei 1 / 1 = 1, 1 / 2 = 0.5, 1 / 3 = 0.333 usw. bis hin zu 1 / n (für n: beliebig grosse natürliche Zahl). Schnell zeigt sich, dass das jeweilige Ergebnis mit zunehmendem n gegen den Wert 0 konvergiert; wobei es diesen Wert aber faktisch niemals erreichen wird. Warum ist das so? Nun, für jedes beliebe grosse n lässt sich ein weiteres n (n+1) finden, das dann – eingesetzt in die Ausgangsformel – eine zwar weitere Annäherung an den Wert 0 ergibt, ihn jedoch grundsätzlich niemals erreichen kann. Kurz: mit Konvergenz ist hier gemeint, dass sich eine „Entwicklung“ (hier: auf der Basis von Zahlen) gegen einen Wert hin entwickelt, der zwar klar definiert ist, jedoch faktisch nicht erreicht werden kann. Vereinfacht ausgedrückt konnte man sagen, dass der Begriff „Konvergenz“ eine „Annäherung“ beschreibt, die unterschiedlichste Ausprägungen haben kann.

Übertragen auf das „logische Denken“ ist nun gemeint, dass es für ein zu lösendes Problem genau eine, klar festgelegte „Formel“ (sprich: Weg) gibt, die zwangsläufig zum gewünschten Ziel führen wird.

Was sind demnach die Stärken und Schwächen des „logischen Denkens“?

Immer dann, wenn ein zu lösendes Problem kausal in sich stimmig begründbar ist, führt „logisches Denken“ mit Sicherheit ans Ziel. Immer dann, wenn wir es mit Situationen zu tun haben, die sich nicht – oder noch nicht – in klar strukturierte Kausalketten pressen lassen – stösst das „logische Denken“ an seine Grenzen.

Ein schönes Beispiel dafür findet man z. B. in vielen Schachprogrammen und Schachcomputern. Warum?

Nun, obwohl das Schachspiel gemäss seiner Spielregeln eindeutig definiert ist, ist der mögliche Ereignisraum (d. h. die Zahl der Spielvarianten) schier astronomisch gross, so dass auch leistungsstärkste Computer – trotz aller bis dahin bekannten Techniken – schnell an grundsätzliche Berechnungsgrenzen stossen, die sich auch mittels leistungsfähigster Hardware nur mehr marginal verbessern lassen. Die Zahl möglicher Spielzüge ist dermassen gigantisch, dass man schon frühzeitig nach Möglichkeiten Ausschau hielt, Denkoptionen zu nutzen, die sich abseits eines streng „logischen Denkens“ bewegen. In diesem Zusammenhang werden z. B. Heuristiken benutzt. Einfach gesprochen sind das Rechenverfahren, die bewusst darauf verzichten, jede nur erdenkliche Situation erschöpfend analysieren zu können, um jedoch im Endergebnis effektivere Ergebnisse zu erzielen, als dies ausschliesslich mit einem „logischen Denkansatz“ jemals möglich sein könnte.

Divergentes Denken

Divergentes, d.h. „abweichendes“ Denken bedient sich bewusst einer Technik, die von Anbeginn an eines Problemlöseprozesses darauf setzt, dass es nicht nur eine mögliche Lösung gibt, sondern deren viele.

Im Zusammenhang mit dem sog. Brainstorming (freies Entwicklen von kreativen Gedanken) führt „divergentes Denken“ dazu, Lösungswege aufzuzeigen, die sich oftmals abseits „ausgetretener Denkpfade“ bewegen.

„Divergentes Denken“ vermeidet bewusst das Setzen enger Denkgrenzen, wie sie für das „logische Denken“ oftmals zu konstatieren sind. Dabei geht es zunächst einmal nicht darum, dass jede mittels „divergenten Denkens“ produzierte Idee auch sogleich praktisch umsetzbar sein muss, sondern vielmehr darum, den Gedanken möglichst freien Lauf zu lassen. Schon bei einer sorgsamen Betrachtung unserer Sprache lässt sich erkennen, wo genau die Stärke „divergenten Denkens“ liegt. Bestimmt kennen auch Sie Aussagen der Art wie z. B.: „…das ist doch völlig verrückt…“. Ja, ganz genau so mag es wohl sein. Warum? Nun, der Begriff „verrückt“, der für viele Menschen – mangels kritischer Reflexion – tendenziell meist negativ besetzt ist, sagt zunächst einmal lediglich aus, dass es sich um eine Idee handelt, die – von einer wie auch immer definierten Norm – „abrückt“, und somit als „ver-rückt“ diffamiert wird. Komisch, oder…?!

Wie lässt sich das „divergente Denken“ gezielt und konsequent trainieren?

Möglichkeiten dazu gibt es viele. Grundsätzlich geht es bei allen angebotenen Techniken darum, ausgetretene Denkpfade zu verlassen, so dass Raum für neue und „ver-rückte“ Ideen geschaffen werden kann.

Trainingsübung

Für den Fall, dass du ein klein wenig trainieren möchtest, hier einige Übungen:

Zur Vorbereitung: Bitte nimm dir einen Schreibblock sowie einen Schreibstift zur Hand. Zudem solltest du eine Stoppuhr bereitliegen haben.

Schreibe nun bitte die folgende Begriffe auf deinen Block:

1. Zündholz
2. Blumenvase
3. Schraubenzieher
4. Flaschenverschluss

Starte nun bitte die Stoppuhr, die du vorab auf insgesamt 20 Minuten eingestellt hast. Finden nun möglichst schnell zu jedem der hier genannten Begriffe mindestens 20 Einsatzmöglichkeiten, wie der betreffende Gegenstand – abseits seiner ursprünglichen Bestimmung – anderweitig verwendet werden kann.

Falls dir diese Übung zu Beginn Probleme bereitet, solltest du bitte unter keinen Umständen vorzeitig aufgeben. Nach Ablauf der 20 Minuten zählst du, wie viele Verwendungsmöglichkeiten du jeweils gefunden hast. Weniger als fünf Möglichkeiten je Begriff deuten darauf hin, dass du deine Kreativität unbedingt deutlich verbessern solltest. Falls du jeweils mehr als 15 Verwendungsmöglichkeiten gefunden hast, wäre dies ein passabler Wert.

Wie immer auch dein erstes Testergebnis ausfallen mag, sollten du nicht frustriert aufgeben, sondern es vielmehr als Ansporn zur Optimierung deiner kreativen Denkfähigkeit auffassen, die sich auf jeden Fall durch gezieltes und regelmässiges Training verbessern lässt.

Falls du die Möglichkeit dazu hast, gib diese Testaufgabe auch anderen Menschen in deinem Umfeld, und lass dich davon überraschen, wie viele neue Verwendungsmöglichkeiten es gibt, an die du bis dahin nicht gedacht hast. Erstaunlich, oder…?!

Entscheidend bei solchen Übungen ist, dass du konkret erlebst, wie ein Verlassen „ausgetretener“ Denkpfade immer wieder zu neuen, bis dahin unbeachteten Lösungen führen kann. Trainiere am besten regelmässig mit solchen Begriffslisten, und geniesse fortan die Vorzüge „divergenten Denkens“, die dein Leben in einer bis dahin ungeahnten Art und Weise zu bereichern vermögen.

Laterales Denken

Ursprünglich geht die Idee des „lateralen Denkens“ auf den englischen Psychologen, Edward de Bono, zurück. Synonyme, die im Zusammenhang mit dem „lateralen Denken“ auftauchen, sind z. B.:

• Intuitives Denken
• Seitlich gerichtetes Denken
• Spielerisches Denken

Allen gemeinsam ist die Idee, dass sie sich von dem im Zusammenhang mit dem „logischen Denken“ benutzten „vertikalen Denken“ grundlegend unterscheiden.

„Laterales Denken“ bemüht sich vor allem darum, Muster in Systemen zu erkennen, die dann zur Lösungsfindung genutzt werden können. Clever ist eine solche Vorgehensweise vor allem auch deswegen, weil menschliche Gehirne wahre Meister im Erkennen von Mustern sind. Somit nutzt das „laterale Denken“ eine natürlich vorhandene Fähigkeit menschlicher Gehirne, die offenbar mit besonderer Freude danach Ausschau halten, Muster zu erkennen.

Zu den besonderen Vorteilen des „lateralen Denkens“ gehört nicht zuletzt die Tatsache, dass hier auch „Nebenlösungen“ ausdrücklich möglich und gewünscht sind.

Ein beim „logischen Denken“ oftmals zu beobachtender Effekt des Ausschliessens, wird hier bewusst und konsequent vermieden. Getreu dem Motto „Viele Wege führen nach Rom“, basiert das „laterale Denken“ entscheidend auf der Erkenntnis, dass es nahezu immer mehrere Lösungen für Probleme gibt, die sich vor allem dann zeigen, wenn man bewusst „ausgetretene Denkpfade“ verlässt.

Dieser kleine Streifzug durch verschiedene Formen des kurativen Denkens sollte bei dir zu der Einsicht geführt haben, dass letztlich alle hier beschriebenen Denkformen eine nachvollziehbare Daseinsberechtigung haben.

Je nachdem, wie sich ein zu lösendes Problem darstellt, bieten sich unterschiedliche Formen des kreativen Denkens an. Wichtig ist die Erkenntnis, dass sich alle hier beschriebenen Denkformen konstruktiv und sinnvoll ergänzen, und dass es nicht darum geht, die eine gegen eine andere Form auszupielen. Sobald du diese Erkenntnis fest in dein Gedankengut aufgenommen hast, wirst du fortan mehr und mehr von sich wechselseitig befruchtenden Denkschemata profitieren können.

Lass eine solche Chance nicht ungenutzt verstreichen, und trainiere dein kreatives Denkpotenzial, indem du regelmässig entsprechende Übungen absolvierst. Nur zu, es lohnt sich ganz bestimmt!

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